Pressemeldungen über die Europäische Union vermitteln den Eindruck eines völlig zerstrittenen, uneffektiven und in vielen Feldern handlungsunfähigen Staatenbundes: Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Brexit, keine gemeinsame Außenpolitik, Überregulierung ("Krümmungsradius von Gurken").

Dabei werden die Vorzüge oftmals vergessen oder kleingeredet. Neben einer in vielen Staaten gemeinsamen Währung und Erleichterungen für den Handel bedeutet eine gemeinsame Zusammenarbeit vor allem Frieden in Europa! Dafür ist die EU ein Garant, da sie auf gemeinsame Werte wie Menschenrechte und Demokratie baut und diese immer wieder einfordert.

Unsere Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrer können nun zum einen erfahren, wie die Regierungen verschiedener Länder über die EU denken und wie sie ihre Sicht begründen. Unabhängig davon reisen einige Schüler und Lehrer zu den Partnerschulen aus Portugal, Spanien, Italien, Griechenland und Ungarn. Sie werden dort, genauso wie bei unseren Austauschprogrammen, sehr herzlich empfangen und äußerst gastfreundlich aufgenommen. Die Menschen selbst sind stets freundlich zuvorkommend – sie haben mit den Aussagen ihrer höchsten Politiker nichts zu tun!

Vorurteile über Flüchtlinge gibt es genug. Das Projekt bietet die Möglichkeit, Flüchtlingsschicksale – vor allem von Kindern – kennenzulernen,  und sich selbst ein Bild über diese zu machen. Niemand verlässt freiwillig seine Heimat und seine Familie, um eine lebensgefährliche Reise in eine ungewisse Zukunft anzutreten. Viele Flüchtlinge wollten ursprünglich auch nicht nach Europa und haben eine lange Fluchtgeschichte (z. B. vom Süden des Irak nach Syrien, nach Kriegsbeginn dort zurück in den Norden des Irak und nach Einfall des IS weiter in die Türkei) sowie traumatische Erlebnisse hinter sich.

Wesentlich ist aber auch, dass unsere Kinder erfahren, dass unser westlicher Lebensstil eine rücksichtslose Ausbeutung der Natur und damit der Lebensgrundlage in Staaten der dritten Welt bedeutet! Billiges Soja für die Tiermast aus Südamerika, Shrimps zu Niedrigstpreisen aus Südostasien, Erdöl aus Arabien, Export von Schlachtabfällen, Elektroschrott und Plastikmüll nach Afrika und Asien, Landgrabbing durch Zusammenarbeit von Firmen mit autoritären Staaten, Klimawandel, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in den Fabriken, um nur einiges zu nennen.

Sobald das Leben durch Zerstörung der eigenen Heimat und Krieg nicht mehr lebenswert ist, ist Flucht zumindest für einen Teil der Familie (meist junge Männer, für die überhaupt eine Chance besteht, die Strapazen auszuhalten) die einzige Hoffnung.

Nur wer alle diese Zusammenhänge versteht, kann die "Flüchtlingskrise" richtig einordnen und sieht, dass ein nachhaltiger, gerechter Lebensstil nicht nur für die eigene Gesundheit wichtig ist, sondern auch ein Ansatzpunkt für die Lösung ist.

Wenn wir die Augen dafür verschließen, sind weitere Kriege, die dann auch die EU erreichen werden, und eine Ausweitung des Terrorismus unausweichlich.

Die EU hat die Möglichkeit, gemeinsam etwas gegen die oben aufgeführte Ausbeutung der Drittweltstaaten zu tun. Sie bildet einen mächtigen Wirtschafts- und Werteraum. Auch sie wird daran gemessen werden, wie sie sich den reinen Kapitalinteressen entgegenstellt.

Unser Projekt soll einen kleinen Beitrag dazu leisten, die Augen zu öffnen! Das sind wir unseren Kindern auch schuldig, sonst werden sie uns später fragen: "Warum habt ihr nichts getan?"

Bernd Namislo, Monika Müller-Sperl